Messe Hannover wird bis September 5G-Testgelände

Deutsche-Messe-Luftaufnahme
Bis Ende 2022 werden 1,4 Mio. Quadratmeter Außengelände und 30 Messehallen mit 5G ausgestattet  (Bild: Deutsche Messe)

Messegesellschaft, Deutsche Telekom und Siemens werden das Messegelände mit einem hybriden 5G-Netz ausstatten. Sowohl im Außenbereich als auch in den Hallen sollen ab September 2021 5G-Anwendungen möglich sein. Neben dem Messebetrieb wird auch die Vermietung von Gelände und Infrastruktur für Testanwendungen Teil des künftigen Geschäftsmodells.

Das Messegelände der Deutschen Messe bekommt noch in diesem Jahr ein eigenes 5G-Campus-Netz, kombiniert mit einem öffentlichen 5G-Netz der Deutschen Telekom. Im Rahmen der 5G-Smart-Venue-Strategie entstehe in Hannover das größte 5G-Messeglände Europas, kündigte Jochen Köckler, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Messe, an. Schrittweise sollen Indoor- und Outdoor-Bereiche mit der jüngsten Mobilfunk-Generation ausgestattet werden. Die Telekom wird im Außenbereich eine Abdeckung von 1,4 Mio. Quadratmetern mit ihrem öffentlichen 5G-Netz einrichten. Auch der Aufbau des 5G-Campusnetzes übernimmt der Mobilfunk-Provider.

Hohe Bandbreite, geringe Latenz

Für das Campus-Netz hat sich die Deutsche Messe die volle Bandbreite von 100 MHz im Bereich von 3,7 GHz bei der Bundesnetzagentur (BNetzA) gesichert. Das öffentliche Netz der Deutschen Telekom funkt im benachbarten Bereich von 3,6 GHz, so dass ein durchgängiger Frequenzbereich mit 190 MHz Bandbreite für das hybride Netz zur Verfügung steht.

Im ersten Schritt stattet die Deutsche Telekom fünf Hallen mit 5G aus. Hierfür sind 70 Indoor-Antennen vorgesehen. Mit 14 Antennen im Außenbereich wird das gesamte Freigelände einschließlich angrenzender Parkplätze abgedeckt. Der erste Ausbauschritt soll bis September 2021 abgeschlossen werden – dann wird das 5G-Netz auf dem Messegelände in Betrieb genommen.

Im Anschluss versorgt die Telekom alle 30 Hallen und Gebäude des Messegeländes. So können künftig sowohl Messebesucher wie auch Messe-Aussteller den schnellen Datenfunk nutzen. Als „Dual-Slice“-Netz sind sowohl private als auch öffentliche Netze parallel nutzbar. Die Konzeption sieht ein redundantes Netz vor, das eine hohe Verfügbarkeit von 99,99 Prozent sicherstellen soll. Auch der IT-Sicherheit wird ein besonderer Fokus gewidmet. Darüber hinaus installiert die Messe eine Edge-Computing-Plattform, die anfallende Daten in kürzester Reaktionszeit verarbeiten soll.

Siemens nutzt Messe als Showroom

Neben den Installationen der Messe und der Deutschen Telekom wird sich auch Siemens an der 5G-Vernetzung des Messegeländes in Hannover beteiligen. Eine Halle wird allein mit Technik des Industrie-Ausrüsters aus Nürnberg ausgestattet, um dort ein eigenes Campus-Netz zur Verfügung zu stellen. Auch dieses Netz kann während laufender Messen von Ausstellern sowie außerhalb von Messezeiten von Unternehmen für Tests und Feldversuche genutzt werden.

Köckler wies darauf hin, dass die Siemens-Technik dauerhaft in der Messehalle verbleibt und der Deutschen Messe zur kommerziellen Nutzung überlassen wird. Andere Kunden könnten damit ebenfalls die Siemens-Technik für ihre Produkte als Testumgebung nutzen und diese spezifisch auf ihre Anforderungen an Leistung, Zuverlässigkeit und Security hin anpassen. Als mögliche Testfälle nannte Cedrik Neike, CEO Digital Industries bei Siemens, industrielle Anwendungen wie mobile Roboter in der Fertigung, autonome Fahrzeuge in der Logistik oder Augmented-Reality-Applikationen für Servicetechniker.

Der Industrie-Konzern hat bereits erste Erfahrungen aus einem privaten industriellen 5G-Netz in seinem Automotive-Testcenter in Nürnberg gesammelt. Desweiteren werden derzeit 5G-Campusnetze an den Produktionsstandorten Amberg und Karlsruhe aufgebaut. Die hier gewonnenen Erkenntnisse sollen wiederum bei der Ausrüstung der Messehalle in Hannover genutzt werden.

Digitalisierung der Messe vorantreiben

Der Messe-Chef erläuterte vor der Presse, dass man im Rahmen der 5G-Strategie auch dem veränderten Messegeschehen Rechnung trage. Mit 5G werde es beispielsweise künftig möglich sein, verstärkt Live-Schaltungen auf den Messeständen zu Anwendungen in Industrie und Logistik zu zeigen, so dass Messebesucher einen besseren Eindruck vom konkreten Einsatz der präsentierten Lösungen bekommen. Umgekehrt werde es einfacher möglich sein, digitale und hybride Events zu veranstalten, bei denen man mit hoher Bandbreite vom Messegelände sende.

„Mit der Zuteilung einer privaten 5G-Lizenz durch die Bundesnetzagentur und der Deutschen Telekom als Partner stärken wir unser Kern- und Neugeschäft. Wir bieten so den Ausstellern und Gastveranstaltern aller Messen in Hannover die Möglichkeit, ihre 5G-fähigen Produkte, Lösungen und Anwendungen einem internationalen Publikum live zu präsentieren.“

Dr. Jochen Köckler, Vorsitzender des Vorstandes, Deutsche Messe AG

Vom Messe- zum Technologienetz-Betreiber

Messe und Provider sehen in der Installation die Chance, der Wirtschaft die 5G-Technik näher zu bringen. „Mit diesem Highspeed 5G-Campus-Netz liefern wir hier in Hannover einen gläsernen Betriebsraum für die Industrie“, sagt Tim Höttges, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Telekom. Das hat auch Auswirkungen auf den Geschäftsbetrieb der Messegesellschaft. Mit der Weiterentwicklung des Messegeländes zum multifunktionalen Innovations-Campus wandle sich diese vom reinen Veranstalter zum Betreiber eines Geländes für Test- und Demonstrationszwecke in hoch technologisierten Umgebungen, betonte Jochen Köckler. Mit diesem Modell könne man künftig das Messegelände – zumindest theoretisch – 365 Tage im Jahr nutzen.

Produktion und Mobilität könnten genauso wie die Anwendungen für Smart City, Logistik- oder Medizintechnik von der 5G-Technik profitieren, führte Hagen Rickmann, Geschäftsführer Geschäftskunden der Telekom Deutschland, aus. Auf dem Messegelände Hannover würden die Vorteile der Zukunftstechnologie nun anfassbar und damit für Besucher und Kunden erlebbar.

Er verwies allerdings auch auf Herausforderungen, die man im Rahmen dieses großen Projektes lösen müsse. So gelte es, für „saubere Übergänge“ bei Wechsel von Indoor- zu Outdoor-Netzen zu sorgen, um die angestrebte hohe Zuverlässigkeit zu realisieren. Zudem seien die Hallen extrem unterschiedlich in Signaldämpfung und -Reflexion. Dementsprechend hoch ist der Aufwand, die optimale Ausleuchtung zu entwickeln.

Investitionen in die Zukunft

Die Ausbaukosten bis Ende 2022 bezifferte der Messe-Chef auf rund 11 Mio. Euro. 25 Prozent davon, etwa 2,8 Mio. Euro, steuert das Land Niedersachsen aus einem 50 Mio. Euro schweren Digitalisierungs-Topf bei, mit dem auch die 5G-Versorgung im Land sowie der Ausbau der Kabel-Infrastruktur auf Gigabit-Geschwindigkeit gefördert wird. Wirtschafts- und Digitalisierungsminister Bernd Althusmann verwies darauf, dass Corona das Messegeschäft, wie auch andere Wirtschaftsbereiche, nachhaltig verändern werde. Der Deutschen Messe bescheinigte er, sich mit der 5G-Smart-Venue-Strategie konsequent für die Zukunft auszurichten. Niedersachsen habe nun die Chance, den strukturbedingten Wandel und die damit verbundene beschleunigte Digitalisierung mitzugestalten. „Wir müssen ein 5G-Land werden!“, bekräftigte er.