Zwanzig Prozent der deutschen Bevölkerung geben in Umfragen an, sich Sorgen wegen möglicher Wirkungen auf Gesundheit oder Umwelt durch „Mobilfunkstrahlung“ zu machen. In Deutschland hat die Bundesregierung 2020 das Kompetenzzentrum Elektromagnetische Felder des Bundesamts für Strahlenschutz gegründet, um sowohl Risikobewertung und Forschung zu intensivieren als auch gelingende Risikokommunikation hierzu zu gestalten. Der folgende Beitrag ordnet die verschiedenen Aspekte ein (Teil2).  

 

Autor: Christian Raupach, Bundesamt für Strahlenschutz

Umfragen zeigen, dass manche Menschen Sorgen vor Strahlungen in Zusammenhang mit dem Ausbau des 5G-Netzes haben. Diese Sorgen ernst zu nehmen und gleichzeitig Risikobewertung und Forschung zu intensivieren, sind die Aufgaben des Kompetenzzentrums Elektromagnetische Felder des Bundesamts für Strahlenschutz. Im ersten Teil dieses Beitrags werden Begrifflichkeiten erläutert, die Sichtweise der Wissenschaft aufgezeigt und Quellen für die weitere Recherche angegeben.

Wo gibt es noch wissenschaftliche Unsicherheiten?

Grenzwerte und Höchstwerte schützen uns vor zu starker Erwärmung durch HF-EMF. Nach aktuellem wissenschaftlichem Kenntnisstand gibt es bei deren Einhaltung keine nachgewiesenen gesundheitsrelevanten Wirkungen. Und es gibt eine fundierte Studienlage dazu. Diese Bewertung teilen sämtliche nationalen Strahlenschutzbehörden weltweit, und auch die WHO.

Es gibt allerdings wissenschaftliche Unsicherheiten, denen durch weitere Forschung nachgegangen wird. Ein paar Beispiele:

Unter bestimmten Laborbedingungen hat sich in einem Tiermodell eine möglicherweise tumor-wachstumsfördernde Wirkung von HF-EMF gezeigt. Eine direkte Übertragbarkeit der Ergebnisse auf den Menschen ist aus mehreren Gründen nicht möglich, sie geben allerdings Anlass, weiter zu forschen. Ein zugrundeliegender Mechanismus einer derartigen tumorfördernden Wirkung ist nicht bekannt. Dennoch hat das BfS Folgeforschung initiiert.

Für eine stets aktuelle wissenschaftliche Risikobewertung sieht das BfS auch Forschungsbedarf zu Frequenzen im zweistelligen Gigahertz-Bereich, die perspektivisch bei 5G wie auch bei folgenden Mobilfunkstandards zur Anwendung kommen.

Und im Hinblick auf Langzeitwirkungen von HF-EMF lässt sich die Frage zu einem möglicherweise erhöhten Risiko für Hirntumoren durch intensive und jahrzehntelange Handynutzung noch nicht abschließend beantworten – dazu gibt es Mobilfunk noch nicht lange genug. Stabile Inzidenzraten für Hirntumoren, ein fehlender Wirkmechanismus und die Mehrheit der Studien sprechen insgesamt gegen ein (noch nicht erkanntes) Risiko.

An einigen Stellen ist die aktuelle Forschungslage inkonsistent. Das bedeutet, verschiedene Studiendesigns sind zu teils unterschiedlichen Ergebnissen gekommen. Ein Beispiel ist der Einfluss von elektromagnetischen Feldern auf die Fruchtbarkeit bei Mensch und Tier. Während in einigen Studien Schäden an Keimzellen beobachtet wurden, zeigen andere Studien keine Effekte oder sogar gegenteilige Effekte, wie z.B. eine Erhöhung der Beweglichkeit von Spermien nach Exposition.

Mit begleitender und proaktiver Forschung werden (per Definition immer vorhandene) wissenschaftliche Unsicherheiten in der Risikobewertung weiter verringert. Je mehr aussagekräftige Studien vorliegen, desto genauer lässt sich das Risiko charakterisieren und quantifizieren. Bei einer Risikobewertung ist zudem zu berücksichtigen, dass die völlige Unschädlichkeit einer Technologie nicht bewiesen werden kann, da nie alle möglichen Situationen, Kombinationen und Zustände getestet sowie alle denkbaren Endpunkte betrachtet werden können.

Wer aufgrund der wissenschaftlichen Unsicherheiten – oder aus anderen Gründen – die persönliche Exposition minimieren möchte, findet auf der Webseite des BfS Hinweise, wie sich das machen lässt. Damit versetzt das BfS Verbraucher:innen in die Lage, gemäß ihrer persönlichen Risikoabwägung Einfluss darauf zu nehmen, wie stark sie durch die maßgeblichen Quellen (Endgeräte) exponiert sind. Hersteller sollten zudem technische Möglichkeiten nutzen, die Exposition zu minimieren.

Herausforderung Risikokommunikation

Für uns als Risikokommunikator:innen des KEMF steckt eine besondere Herausforderung darin, neben der robusten Datenlage, die gegen gesundheitliche Effekte unterhalb der Grenzwerte spricht, zusätzlich auf immer in der Wissenschaft existierende Unsicherheiten einzugehen. Egal, ob sie aufgrund einzelner Studien mit abweichenden Ergebnissen bestehen oder aufgrund mangelnder Forschung. Während in der Fachwissenschaft bei einer solchen Beschreibung vor allem die robuste Studienlage kommunikativ „ankommt“, sind es bei der Öffentlichkeit manchmal die „Unsicherheiten“, die stärker ins Gewicht fallen. Das ist menschlich – individuelle Bewertungen von Risiken können aufgrund psychologischer Faktoren stark variieren. Und am Schluss bleibt die Einschätzung immer eine persönliche, welche Risiken man für akzeptabel hält, welchen Institutionen man Kompetenzen zuschreibt und ihnen wissenschaftlich fundierte Arbeit zutraut.

Strahlenschutz ist Verbraucherschutz

Mobilfunktechnologie entwickelt sich rasant weiter. 5G ist in aller Munde; in der Fachwelt wird schon über 6G diskutiert. Die Öffentlichkeit erwartet, dass wissenschaftliche Risikobewertung Einschätzungen zu neuen Technologien möglichst gibt, bevor sie auf den Markt kommen. Das KEMF nimmt diesen Auftrag ernst.

Fragen zum Strahlenschutz – man könnte auch schreiben: Verbraucherschutz – stellt eine mündige Öffentlichkeit allerdings nicht nur an Behörden und wissenschaftliche Einrichtungen. Sondern auch an Unternehmen, die solche Technologien entwickeln wollen. Erste fachgerechte Auskünfte können dafür sorgen, dass es hier nicht zu Verunsicherung kommt. Strahlenschutz geht alle an.

Zum Autor: Christian Raupach, Co-Leitung des Kompetenzzentrums Elektromagnetische Felder am Bundesamt für Strahlenschutz, zuständig für den Bereich „Information und Kommunikation“ beim Bundesamt für Strahlenschutz in Cottbus

Lesen Sie im ersten Teil mehr über die physikalische Eigenschaften von HF-EMF und ihre Relevanz für den Strahlenschutz.

 

Veranstaltungstipp
Einige Anwender werden sich auch am 22./23. November 2023 in Würzburg treffen, um ihre individuellen Fragen und Herausforderungen gemeinsam mit 5G-Expertinnen und -Experten diskutieren. Fragen Sie nach einer Last-Minute-Teilnahme. Mehr zur Netzwerkveranstaltung Connect2Innovate finden sie hier.