Kamerabasierte Spindelüberwachung: Ein Video vom Institut für Produktionstechnik am Karlsruher Institut für Technologie (Link weiter unten im Text; Bild: Screenshot, YouTube-Kanal KIT)

Digitalisierung, künstliche Intelligenz und maschinelles Lernen sind einige der Schlagwörter, die industrielle Produktion von morgen einfacher, günstiger und flexibler gestalten sollen. Die deutsche Forschungslandschaft arbeitet intensiv daran, nutzbringende Anwendungen aufzuzeigen, wie das Beispiel einer Spindelüberwachung am Institut für Produktionstechnik (wbk) zeigt. FUENF-G hat beim akademischen Mitarbeiter Tobias Schlagenhauf nachgefragt, um mehr über den Nutzen zu erfahren.

Werkzeugmaschinen sollen rund um die Uhr präzise Arbeiten erledigen. Drehen, Fräsen, Bohren – die Metallbearbeitung muss nicht mehr „nur“ in engsten Toleranzen geschehen, sondern auch mit einer hohen Verfügbarkeit dafür sorgen, dass sich die hohen Investitionen in die Maschinen rentieren.

Um dieses Ziel zu erreichen, müssen Werkzeugmaschinen regelmäßig gewartet werden, defekte Bauteile müssen rechtzeitig ausgetauscht werden. Ein intelligentes Kamerasystem zur Quantifizierung von Oberflächendefekten auf Kugelgewindetrieben, wie sie beispielsweise in Drehmaschinen zur Präzisionsführung bei der Herstellung von zylindrischen Bauteilen eingesetzt werden, erlaubt eine bildbasierte, direkte Überwachung der Spindeloberfläche. Es besteht aus einem an der Kugelgewindetriebmutter angebrachten Kamerasystem mit Beleuchtung, kombiniert mit einem auf Bilddaten trainierten Modell des Maschinellen Lernens.

Nachgefragt

Nutzen der künstlichen Intelligenz für den Maschinenbau

Ein intelligentes Kamerasystem zur Quantifizierung von Oberflächendefekten auf Kugelgewindetrieben klingt nach einem spannenden Projekt. FUENF-G wollte vom zuständigen akademischen Mitarbeiter des Instituts für Produktionstechnik am Karlsruher Institut für Technologie, Tobias Schlagenhauf, M.Sc., Details zum Projekt erfahren.

FUENF-G: Herr Schlagenhauf, Ihre Arbeit wirkt recht aufwändig, worin liegt Ihre Motivation? Welches wirtschaftliche Potenzial sehen Sie für diese Überwachung?
Schlagenhauf: Das wirtschaftliche Potential ergibt sich aus der direkten Unterstützung der Instandhaltung bei der Zustandsüberwachung von Kugelgewindetrieben. Weiteres wirtschaftliches Potential, wenn auch nicht direkt zu beziffern, ergibt sich, wenn die Methodik auf andere Bereich der Produktion übertragen wird. Dieses Potential dürfte sogar noch größer sein als die direkte Automatisierung des Überwachungsprozesses von Kugelgewindetrieben.

FUENF-G: Wie groß sind die Datenmengen und wie werden sie verarbeitet?
Schlagenhauf:
Die für das Modelltraining verwendeten Datenmengen belaufen sich auf ca. 10.000 Bilder in einer Auflösung von 300 x 300 Pixeln. Die Daten werden nicht weiter vorverarbeitet, es werden lediglich aus Rohdaten interessante Bereiche im Format 300×300 Pixel ausgeschnitten.

FUENF-G: Welche Datenübertragung wird perspektivisch für solche Anwendungen genutzt werden?
Schlagenhauf:
Denkbar ist hier weiterhin die klassische Anbindung innerhalb einer Maschine per Kabel oder perspektivisch kabellos bspw. über 5G.

FUENF-G: Planen Sie oder kooperierende Firmen auch schon den nächsten Schritt, z.B. die Anbindung an ein 5G-Netzwerk?
Schlagenhauf:
Bisher ist hier nichts geplant, die Idee ist aber interessant und vielversprechend.

FUENF-G: Wann ist mit einer Anwendung im größeren industriellen Maßstab zu rechnen?
Schlagenhauf:
Der Fokus der Forschung liegt auf dem Erkenntnisgewinn hinsichtlich des Ausfallverhaltens von Kugelgewindetrieben sowie den intelligenten Algorithmen. Das technische System des Kamerasystems industrietauglich weiterzuentwickeln ist eine Engineering-Aufgabe, für die es momentan keinen Industriepartner im Rahmen eines Umsetzungsprojektes gibt. Eine Prognose über die Anwendung im industriellen Maßstab ist daher schwer – eine industrielle Umsetzung gemeinsam mit einem Umsetzungspartner aus der Industrie aber durchaus vorstellbar.

FUENF-G: Dann drücken wir die Daumen, dass ein FUENF-G-Leser Appetit bekommen hat und Sie bei weiteren Umsetzungen unterstützt. Viel Erfolg für Ihr Projekt und vielen Dank für das Interview.

Hier sehen Sie das System in einem Video des KIT:
Institut für Produktionstechnik

Video „Kamerabasierte Spindelüberwachung“: Lernendes Modell zur Verschleißquantifizierung vom Institut für Produktionstechnik, wbk.