Der Einsatz von Huawei-Technik in Mobilfunknetzen gilt als potenzielles Sicherheitsrisiko. Politiker und Sicherheitsbehörden warnen davor, dass sie genutzt werden könnte, im Auftrag der chinesischen Regierung Sabotage oder Spionage zu betreiben. Während EU und Innenministerin Faeser den Druck erhöhen, kritische Komponenten auszutauschen, wehren sich Deutsche Telekom, Vodafone und Telefónica angesichts der hohen Kosten – womöglich mit Erfolg.

EU-Industriekommissar Thierry Breton ist sauer auf die nationalen Telekommunikationsminister. Im Juni erschien der zweite Bericht über die Fortschritte der Mitgliedstaaten bei der Umsetzung des EU-Instrumentariums für 5G-Cybersicherheit. Das Ergebnis kurz zusammengefasst: Die Fortschritte bleiben weit hinter den Erwartungen zurück. Damit besteht nach Ansicht von Breton weiterhin ein großes Risiko für eine Einflussnahme auf Befehl Pekings. Das könnte insbesondere im 5G-Netz, das bevorzugt für Industrie-Anwender und Echtzeit-Steuerungsprozesse genutzt wird, ungeahnte Folgen haben.

Deshalb hatte die EU eigens eine Toolbox für 5G-Cybersecurity entwickelt, die sich auf sieben Maßnahmen stützt:

  • Die Stärkung der Rolle und der Befugnisse der Regulierungsbehörden;
  • Das Prüfen von Anbietern und Anfordern zusätzlicher Informationen;
  • Beschränkungen für Lieferanten mit hohem Risiko;
  • Kontrolle des Einsatzes von Managed Service Providern und Third-Line-Support von Ausrüstungslieferanten;
  • Gewährleistung der Lieferantenvielfalt bei den Providern und Vermeidung der Abhängigkeit von Lieferanten mit hohem Risiko;
  • Stärkung der Resilienz auf nationaler Ebene und
  • Überprüfung ausländischer Direktinvestitionen. 

Die Überprüfung Anfang des Jahres ergab: Erst ein Drittel der Staaten hat bislang Huawei-Verbote in kritischen Bereichen umgesetzt. Einer der säumigen Kandidaten: Deutschland. Der EU-Kommissar erhöht deshalb den Druck auf die Regierungen der Mitgliedsstaaten. Bei der Vorstellung des zweiten Fortschrittsbericht im Kreis der nationalen Telekommunikationsminister drohte Breton damit, ein Verbot auf EU-Ebene voranzutreiben, wenn die Nationalstaaten weiter zögern. Schließlich gelte es den Sicherheitsbedenken Rechnung zu tragen.

Zick-Zack-Kurs in Berlin

Bislang kaum bemerkt von der Öffentlichkeit, droht auch bei diesem Thema ein neuer Koalitionskrach – denn jede der Ampelfarben blinkt in einer anderen Richtung. Das Innenministerium hatte im März von den drei deutschen Mobilfunkbetreibern eine Auflistung aller genutzten Komponenten von Huawei verlangt. Hintergrund waren möglicherweise neue Geheimdiensterkenntnisse. Darauf angesprochen, hatte Wirtschaftsminister Robert Habeck im Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) gefordert, dass künftig keine neuen Komponenten von Huawei in deutschen Netzen verbaut werden sollen. Kompromissbereit zeigte er sich dagegen beim Bestand. Man werde nicht alles, was schon eingebaut ist, ohne weiteres einfach wieder ausbauen können, so der Minister.

Prompt gab es Widerspruch. Die Regierung werde erst nach Abschluss der laufenden Prüfung darüber befinden, so ein Regierungssprecher. Später meldete sich Volker Wissing in seiner Eigenschaft als Digitalminister zu Wort. Er sorgt sich, die Ausbauziele für das schnelle 5G-Netz zu verfehlen und stellt sich daher gegen harte Maßnahmen gegenüber den chinesischen Lieferanten Huawei und ZTE. Dazu passt ein Projekt der Bahn für ein internes 5G-Netz, das ebenfalls in das Ressort von Wissing fällt, das neben Digitalem ja in erster Linie Verkehr umfasst. Im Dezember 2022 war nach einer EU-weiten Ausschreibung der Zuschlag an die Deutsche Telekom gegangen – die dabei weiterhin auf Huawei-Technik setzen will.

Daneben gibt es in Berlin die Sorge, dass ein Ausschluss von Huawei dazu führen könnte, dass China im Gegenzug Handelsbeschränkungen gegenüber deutschen Unternehmen verhängt. Vor diesem Hintergrund hat sich auch die Außenministerin in der 5G-Debatte zu Wort gemeldet. Sie vertritt weiterhin eine harte Linie gegenüber Peking.

Nachdem Deutsche Telekom, Vodafone und Telefónica kürzlich eine Entschädigung ins Gespräch gebracht hatten, sofern sie durch ein Huawei-Verbot zum kostspieligen Austausch von Komponenten gezwungen würden, fand Bundesinnenministerin Nancy Faeser deutliche Worte. Die Risiken seien seit Langem bekannt, so Faeser gegenüber dem Handelsblatt und verwies auf mehrfache Warnungen seitens deutscher Sicherheitsbehörden vor einseitigen Abhängigkeiten. Dementsprechend hätten die Mobilfunkbetreiber genügend Zeit gehabt, sich auf ein mögliches Verbot einzustellen, begründete sie die Absage an staatliche Entschädigungen.

Quelle:BMI

Quelle:BMI

 

„Wenn gravierende Sicherheitsrisiken bestehen werden wir die entsprechenden Komponenten verbieten. Dann müssen die Netzbetreiber handeln und diese Komponenten ausbauen. Da lasse ich mich auch durch das Kostenargument nicht beirren.“

Bundesinnenministerin Nancy Faeser

Entscheidung im Hinterzimmer?

Die vom Bundesinnenministerium verantwortete Prüfung soll bald zu Ende gehen. Ein Ergebnis werde in wenigen Wochen vorliegen, kündigte ein Sprecher an. Bei der Sicherheitsprüfung des BSI vom vergangenen Jahr waren technische Eigenschaften ausschlaggebend gewesen – hier gab es keine Befunde, die gegen den Einsatz von Huawei- oder ZTE-Komponenten sprechen würden. Anders dagegen der aktuelle Situationsbewertung. Die soll Risiken wie Abhängigkeiten oder technische Manipulationen berücksichtigen, die nicht zwingend durch Sicherheitslücken oder Hintertüren gesteuert weden. Insofern handelt es sich um eine rein politische Entscheidung.

Doch während die Ministerin sich mit markigen Worten zitieren lässt, wurden gleichzeitig Verhandlungen mit den drei Providern bekannt. Die hatten zwar Huawei aus den Kernnetzen verbannt, setzen aber nach wie vor wegen der günstigen Preise und der hohen Lieferfähigkeit auf chinesische Antennentechnik. Wie das Handelsblatt erfahren haben will, könnte bei diesen Gesprächen eine finanziell erträgliche Lösung gefunden worden sein. Der mögliche Kompromiss würde demnach einen Verzicht auf ein Antennenverbot umfassen. Im Gegenzug würden die Netzbetreiber verpflichtet, sogenannte Network-Management-Komponenten auszutauschen. Dies sei eine „minimalinvasive Lösung“, die möglichst viel Sicherheit schaffe, ohne zu große Kosten zu verursachen.

Die Frage ist, ob ein solches Vorgehen tatsächlich die Sicherheit gegenüber den befürchteten Sabotage- oder Spionage-Angriffen verbessern kann. Und nicht zuletzt ist auch noch offen, wie EU-Kommissar Thierry Breton eine solche Lösung einschätzt. Ist er nicht von einer wirksamen Verbesserung des Sicherheitsniveaus überzeugt, könnte er immer noch mit einem EU-weiten Huawei-Verbot die Pläne der deutschen Regierung zunichtemachen.