eMBB ist bereits im aktuellen Standard Release 15 realisiert, mMTC und URLLC folgen mit den nächsten Schritten. (Bild: 3GPP)

Der Echtzeit-Hype um 5G, lange vor dem Start des ersten Netzes, ist nur auf den ersten Blick verwunderlich. Schließlich gibt es kabellose Datenkommunikation schon länger. Doch vor wenigen Jahren zog eine scheinbar geringfügige Änderung fatale Konsequenzen für die industrielle Automation nach sich.

Ohne Regulierung geht es nicht. Das trifft für kaum ein Thema so zu wie auf die Nutzung und den Betrieb von Funk-Netzwerken. Wenn eine kabellose Datenkommunikation reibungslos funktionieren soll, braucht es gerade im industriellen Umfeld eine sauber definierte und abgestimmte Nutzung. Und hier gibt es laufend Anpassungen. Ein Beispiel: Um das unlizenzierte Frequenzspektrum effektiver nutzen zu können, müssen alle Geräte, die im 2,4-GHz-ISM-Band (Industrial, Scientific, Medical) oder im unlizenzierten 5-GHz-Band senden, seit Anfang 2015 die Norm EN 300328 in Version 1.8.1 einhalten. Diese schreibt vor, dass in der Regel LBT (Listen before Talk) oder DAA (Detect and Avoid) eingehalten wird. Alternativ kann ein Hersteller dieser Norm durch geringere Sendeleistung und kurzer relativer Sendedauer (Duty Cycle) Genüge tun.

Im WLAN-Standard wurde eine ähnliche Funktion zuvor abgebildet durch CSMA/CA (Carrier Sense Multiple Access with Collision Avoidance). Der LBT-Zwang führt zumindest potenziell zu einer Erhöhung der Latenzzeit. In Kombination mit der steigenden Verbreitung von WLAN-Quellen über öffentliche Hotspots, Smartphones und Tablets nimmt das Risiko von Störungen immer weiter zu. So argumentiert beispielsweise Arjen Kreis, Leiter der Automatisierungstechnik Karosseriebau bei Audi, dass unter diesen Umständen ein sicherer Echtzeitbetrieb nicht mehr gewährleistet werden könne. Mit 5G zeichnet sich ein Ausweg aus diesem Dilemma ab.

Standard mit weltweiter Unterstützung

Die Entwicklung der technischen Standards und Testszenarien für 5G-Hardware und -Services wird in erster Linie im Dachverband 3rd Generation Partnership Project (3GPP) vorangetrieben, der sieben Entwickler-Organisationen vereint. Gegründet anlässlich der Entwicklung der dritten Mobilfunkgeneration – daher der Name – hat sich dieses Gremium auch der Nachfolge-Generationen angenommen.

Eng koordiniert mit 3GPP arbeitet die Internationale Fernmeldeunion (International Telecommunication Union, ITU), einer Sonderorganisation der Vereinten Nationen (UNO), um auf Seite der Telekommunikationsservices eine weltweite Harmonisierung der 5G-Entwicklung zu erzielen. Dies betrifft beispielsweise die Frage der verwendeten Frequenzbänder. Die neuen Spezifikationen für den internationalen Mobilfunk (International Mobile Telecommunications, IMT) werden unter dem Titel IMT-2020 zusammengefasst.

Und auch das Institute of Electrical and Electronics Engineers (IEEE) ist eng mit 3GPP vernetzt, so dass die dort entwickelten Vorgaben in die internationale Normierung einfließen. Mehr Details zur Roadmap der einzelnen Releases vom 3GPP Release 15 über den derzeit in Arbeit befindlichen Entwicklungsschritt 16 bis hin zur Ausgestaltung des übernächsten Entwicklungsschritts 3GPP Release 17 lesen Sie im Beitrag „Wer die Standardisierung von 5G vorantreibt“.

Und wann kommen die Produkte?

Nicht alle Anwendungen sind auf die Releases 16, 17 und folgende angewiesen. Schon heute können Unternehmen damit beginnen, 5G-Infrastrukturen aufzubauen. Doch auch die nach Release 15 spezifizierten Komponenten sind derzeit nur schlecht verfügbar. So musste beispielsweise der Aachener Elektrofahrzeug-Hersteller eGo die ursprünglich für August geplante Umrüstung der Produktion von LTE auf 5G um zwei Monate nach hinten schieben.

Alle relevanten Hersteller von Netzwerk- und Automatisierungstechnik gehen davon aus, dass standardkonforme Produkte für den Massenmarkt jeweils 18 bis 24 Monate nach Abschluss der Standardisierung zur Verfügung stehen. Denn erst dann können finale Entwicklungsschritte vollzogen werden. Und bevor die Produktion anläuft, müssen noch Interoperabilitätstest und Zertifizierungen durchlaufen werden, um sicherzustellen, dass sämtliche Produkte auch in gemischten Umgebungen gut miteinander funktionieren.

Für URLLC-Anwendungen, die harte Echtzeitanforderungen erfüllen müssen, sind geeignete Produkte gemäß 3GPP Release 16 also frühestens Anfang 2022 zu erwarten. Für die folgende Generation nach Release 17 muss man mindestens bis Mitte 2023 warten, realistischer dürfte Ende 2023 bis Anfang 2024 sein.

Kein Grund zu warten

Trotz allem sollte niemand glauben, 5G sei eine Technik einer mehr oder minder fernen Zukunft. Die bereits laufenden Projekte, beispielsweise in der Automobilindustrie, zeigen deutlich, dass es nicht nur möglich, sondern auch nötig ist, frühzeitig Erfahrungen mit der neuen Mobilfunktechnik zu sammeln. Konzepte für neue IT-Umgebungen und Produktionsprozesse entwickeln, Partner für die Realisierung finden, Projektinstallationen aufsetzen und die Pläne für den endgültigen Schritt in die Produktion evaluieren – damit lässt sich die Zeit bis zur Marktverfügbarkeit der benötigten Komponenten sinnvoll füllen.

Und nicht zuletzt setzt die Bundesnetzagentur die Interessenten für Campus-Lizenzen unter Druck: Die Antragsteller müssen bereits relativ konkrete Auskünfte über den geplanten Einsatz abgeben und nach der Zuteilung innerhalb von 12 Monaten den 5G-Betrieb aufnehmen.

Industrielle Anwendungen von 5G im Fokus

Auf der 5G CMM Expo vom 8. – 10. Oktober auf dem Messegelände in Hannover kann der Besucher sich umfassend zum Thema 5G und Industrie informieren. Während am Vormittag horizontal die jüngsten Entwicklungen und Lösungen rund um 5G thematisiert werden, werden die Besucher zu den spezifischen Anforderungen und Lösungen ihrer Branchen in Break-Out-Sessions an den Nachmittagen zielgerichtet netzwerken. Das Spektrum wird dabei nahezu alle Industriezweige abdecken – von der Automobilindustrie, über die Luftfahrtindustrie, den Maschinenbau, die Logistik bis hin zu der Agrar- und den Prozessindustrien.

Am ersten Tag der Veranstaltung zieht sich das Thema der technologischer Entwicklungen, am zweiten Tag die Themen Standardisierung und Regulierung sowie am dritten Tag das Thema Netzwerke wie ein roter Faden durch die Plenumsvorträge des Vormittags. Und auch die anschließende Panel-Discussion von 12:15 bis 13:00 Uhr wird sich dementsprechend speziell diesen Fragestellungen widmen.

(Die Erstveröffentlichung dieses Beitrags erfolgte durch die Deutsche Messe.)