Symbolbild Hochwasser am Rhein: Wo bleibt ein Mobilfunk-Notfall-Netzwerk? (Bild: analogicus auf Pixabay)

Drei Szenarien eines Mobilfunk-Notfall-Netzwerks beugen gegen die Folgeschäden von Naturkatastrophen vor. Die Starkregenfälle in verschiedenen Regionen der BRD haben gezeigt, dass auf die derzeitige Netz-Infrastruktur der BRD kein Verlass ist – was Menschenleben kostet, enorme Folgekosten verursacht und laut Rothmeyer Consulting vermeidbar ist. Im Katastrophenfall ein gesichertes Netz für die Bevölkerung zu haben ist „nur“ eine Frage der richtigen Vorsorge.

Gastautor dieses Beitrags ist Dr. Markus Rothmeyer, Gründer von Rothmeyer Consulting.

Was die Hochwasserschäden in Rheinland-Pfalz, Nordrhein-Westfalen und auch in Südost-Bayern gezeigt haben: bisher 183 Todesfälle, Instandsetzungskosten von ca. 20 Mrd. Euro und Folgearbeiten von mindestens 3 bis 5 Jahren. In unmittelbaren Zusammenhang steht neben den Potenzialen einer besser genutzten Wettervorhersage auch das öffentliche Mobilfunknetz, dem Stabilität und Ausfallsicherheit in Notfällen fehlt. Wenn sogar der Digitale Behördenfunk oder der Mobilfunk nach ca. 30 Minuten großflächig im Starkregengebiet ausfällt und die Cell-Broadcast-Funktion im deutschen Mobilfunknetz nicht implementiert ist, dann bedarf es einfach eines Mobilfunk-Notfall-Netzwerks, welches im bisherigen Katastrophenschutz-Konzept noch fehlt. 

Status-Parameter heute

Heute wird das bestehende öffentliche Mobilfunknetz in Deutschland von drei großen Unternehmen betrieben: T-Mobile, Vodafone und O2-Telefonica. Zwar sind die zentralen Elemente dieser Mobilfunknetze redundant ausgelegt, jedoch sind die Basisstationen lediglich für etwa 30 Minuten bis eine Stunde betriebsfähig, wenn das allgemeine Stromnetz ausfällt.

Kaum anders verhält es sich mit dem digitalen Behördennetz, das auch redundant ausgelegt ist und bei Ausfall des öffentlichen Netzes für eine gewisse Zeit weiter zur Verfügung steht. Dabei ist aber die Anzahl der mobilen Endgeräte sehr begrenzt. Derartige Geräte sind derzeit nur im Besitz von Polizei, Feuerwehr, Katastrophenschutz etc.

Drei Alternativ-Szenarien für den Katastrophenfall 

In Anbetracht dieser aktuellen Situation ist der Aufbau eines gesicherten Netzes für die Bevölkerung im Katastrophengebiet dringend erforderlich. Laut Rothmeyer Consulting gibt es diesbezüglich drei Alternativen:

Erstens den Ausbau einer Vielzahl der vorhandenen Basisstationen durch Notstromversorgung und/oder Akkusysteme plus zusätzlicher funktechnischer Anbindung der Basisstationen an die Zentrale bzw. ein ausfallsicheres Core-Netz. Zweitens die Entwicklung von neuen kommerziellen, allgemein verfügbaren Smartphones, oder von Smartphone-Apps, die im Katastrophenfall auch auf den Frequenzen des digitalen Behördenfunks Notrufe absetzen können und eine bidirektionale Sprachkommunikation ermöglichen. Und schließlich drittens die Errichtung eines Notfall-Mobilfunksystems, bei dem der Ausfall einzelner Basisstationen durch Inbetriebnahme geeigneter Notfall-Basisstationen an anderen Standorten kompensiert werden kann. Derartige Notfall-Basisstationen müssen mit einer funkbasierten, ausfallsicheren Verbindung zum Core-Netz angebunden werden.

Priorisierung dieser Alternativen

Wägt man diese Netzwerklösungen ab, so ergibt sich folgende Bewertung: Alternative 1 erfordert die aktive Mitarbeit von mindestens einem der bestehenden Mobilfunknetzbetreiber und erhebliche Investitionen pro Basisstation. Lokale Lücken im Netz des Betreibers gilt es in dem Fall zu schließen. Eine Koordination von mehreren Netzbetreibern zur Errichtung eines Notfallnetzes ist denkbar, erscheint aber organisatorisch sehr schwierig.

Anders die Alternative 2, die die kostengünstige Dual-Mode-Smartphones benötigt, entweder hardware-basiert, oder über Software auf existierender Hardware. Außerdem ist zu prüfen, inwieweit das heute existierende Digitale Behördennetz im Katastrophenfall flächendeckend verfügbar bleibt. Mit Zusatzakkus lässt sich das Netz aufrüsten, Notstromaggregate und ausfallsichere Funkverbindungen sorgen für die Anbindung an ein ausfallsicheres Core-Netz des Behördennetzes. Erste Geräte dieser Art (Dual-Mode-Smartphone: öffentlicher Mobilfunk und Tetra-Funk) existieren bereits, kosten jedoch ca. 2.000 € pro Gerät. Bisher fehlt eine App, mit der sich Standardgeräte (Android oder iOS-basiert) zum Dual-Mode Smartphone aufrüsten lassen. Bei vorhandener hardwareseitiger Sende- und Empfangstechnik sollte eine solche App durch Emulation von Tetra auf einem Smartphone mit ausreichend schnellen Prozessor möglich sein – leider mit sehr hohem Entwicklungsaufwand. Wichtig ist zudem die Kooperation der großen Smartphonehersteller für eine signifikante Markt-Durchdringung.

Die von uns präferierte Alternative 3 lässt sich implementieren, indem eine kostengünstige Notfall-Basisstation konzipiert wird. Derartige Notfall-Basisstationen lassen sich überall dort platzieren, wo ein Grundstückseigentümer eine Photovoltaikanlage mit ausreichend dimensioniertem Akkuspeicher betreibt und wo eine sinnvolle funktechnische Versorgung der umgebenden Fläche erreichbar ist. Die Anbindung an das ausfallsichere Core-Netz erfolgt dann wiederum über Funk.

Die Aktivierung dieser Notfall-Basisstationen, deren voller Akku-Zustand immer gewährleistet sein muss, ist nur im Ernstfall geplant.

Empfohlene To-Do´s für Notfall-Basisstationen

Hinzu kommen noch weitere sinnstiftende Peripherien: Eine sehr kostengünstige Möglichkeit zum Aufbau von Notfall-Basisstationen ergibt sich bei Verwendung des OpenRAN-Standards, der in 5G und 6G Netztechnik vorgesehen ist und der in großen Teilen bereits einsatzfähig ist, zumindest für einfache Text/Daten- und Sprachkommunikation.

Bezüglich der kostengünstigen Anbindung der Notfall-Basisstationen sind low-cost Richtfunkstrecken dienlich, die auf den Frequenzen von WLAN betrieben werden dürfen, ohne dass hierfür extra eine Genehmigung der Bundesnetzagentur notwendig ist. Derartige Richtfunkstrecken werden in Deutschland an vielen Stellen bereits von der Freifunkerbewegung genutzt.

Für eine bessere Entscheidungsgrundlage der zu ergreifenden Maßnahmen hilft eine Studie, um die erwähnten drei Alternativen zu untersuchen und die Umsetzbarkeit zu identifizieren wie auch zu bewerten. Inhaltlich ist empfohlen, eine Bedarfsanalyse zu erstellen, in welchen Gebieten der zu erwartende Netzverkehr entsteht und welche Anwendungsfälle sich dort eignen. Ebenso lässt sich die Machbarkeit jeder Alternative analysieren wie auch Kosten und rechtliche Aspekte. Erste Konzepte für die Planung einer Pilot-Lösung entstehen, die auch Gebietsauswahl, Technik und Umfang betreffen. Auch Datenschutzbelange und IT-Sicherheitsaspekte können Bestandteil der Studie sein. Eine Funkplanungssoftware von Akosim simuliert Mobilfunknetze und hilft, diese Netze zu planen und zu optimieren.