Die drei etablierten Mobilfunkbetreiber könnten mit einer Verlängerung der 800-MHz-Frequenzen gut leben, nicht aber der Newcomer 1&1 (Bild: Gerd Altmann / Pixabay)
Die Frequenzen unterhalb von 1 GHz sind bei den Mobilfunkbetreibern von höchstem Interesse – ermöglichen sie doch eine vergleichsweise günstige Flächenversorgung. Ende 2025 enden die Lizenzen für einige Frequenzblöcke im 800-MHz-Spektrum und müssen neu vergeben werden. Doch wie das geschehen soll sorgt schon heute für Streit.
Er könne sich vorstellen, bestimmte Mobilfunk-Frequenzen kurzfristig und bedingt zu verlängern und ein Vergabeverfahren erst zu einem späteren Zeitpunkt durchzuführen, verkündete der Jochen Homann, Präsident der Bundesnetzagentur (BNetzA), kurz vor der Beiratssitzung am 24. Januar 2022. Ein Satz mit Sprengkraft – die den Behördenchef selbst nicht mehr betrifft, denn er geht Ende Februar in den Ruhestand. Den sich abzeichnenden Konflikt muss sein Nachfolger befrieden, der bisherige Vorstand des Verbraucherzentrale Bundesverbands, Klaus Müller.
Worum geht es?
In Deutschland werden Funkfrequenzen in der Regel nur befristet vergeben, beim Mobilfunk üblicherweise für 15 Jahre. Zum 31.12.2025 laufen wieder einmal einige Lizenzen aus. Betroffen sind Frequenzpakete bei 800 MHz, 1.800 MHz und 2.600 MHz.
Insbesondere die Low-Band-Frequenzen im 800-MHz-Spektrum sind dabei von größtem Interesse. Aufgrund der physikalischen Eigenschaften elektromagnetischer Wellen haben diese eine größere Reichweite und ein besseres Durchdringungsvermögen. Sie ermöglichen eine kostengünstige Versorgung auf dem Land mit weit voneinander entfernten Mobilfunkmasten. Zudem tragen sie zu einem guten Empfang in Gebäuden bei.
1&1 gegen alle anderen
Die freiwerdenden Frequenzbereiche sind bislang gleichmäßig auf die drei Mobilfunkbetreiber Deutsche Telekom, Vodafone und Telefónica verteilt. Sie können jeweils 2 x 10 MHz Bandbreite nutzen und würden das auch gerne so beibehalten.
Doch mit 1&1 gibt es seit 2019 einen vierten Player im Mobilfunkmarkt, der erst noch ein Netz aufbauen muss und dafür dringend auf eine Abdeckung in der Fläche angewiesen ist. Dementsprechend erbost reagierte man in der Unternehmenszentrale auf die Ansage Homanns. Eine Unternehmenssprecherin teilte mit:
„Um als vierter Netzbetreiber dauerhaft wettbewerbsfähig zu sein, ist es für 1&1 zwingend notwendig, neben den 2019 ersteigerten 5G-Frequenzen demnächst auch Low-Band-Frequenzen im Bereich 800 Megahertz erwerben zu können.“
Eine gleichmäßige Neuaufteilung würde bedeuten, aus den drei Frequenzblöcken von 2 x 10 MHZ vier Blöcke mit 2 x 7,5 MHz zu machen. Dies würde die verfügbare Bandbreite der einzelnen Betreiber reduzieren und wird derzeit von der BNetzA als „technisch nicht sinnvoll“ ausgeschlossen. Andererseits will sie die Frequenzen im Bereich von 800 MHz und 1.800 MHz künftig in Blöcken zu 2 x 5 MHz vergeben, um die Flexibilität der Nutzung zu erhöhen und den Zugang zu erleichtern. Gleichzeitig warnt die Regulierungsbehörde vor einem herkömmlichen Auktionsverfahren. Angesichts des Mangels sei ein starker Bieterwettbewerb zu erwarten, sprich: ein Wettbieten, das erneut die Finanzkraft der Netzbetreiber schwächt und damit dringend benötigte Mittel für den Netzausbau abzieht.
Neue gesetzliche Voraussetzungen
Im Sommer 2019 hatte die Versteigerung von Mobilfunkfrequenzen 6,5 Mrd. Euro erbracht. Wie bereits zuvor jammerten die beteiligten Mobilfunkkonzerne vor, während und nach der Auktion über die unerträglichen Kosten, die dazu beitrügen, dass nachher das Geld für den Netzausbau fehle. Die zuständige Bundesnetzagentur bemühte sich daher um Abhilfe und untersuchte Alternativen. Aus den im Sommer noch fünf genannten Szenarien blieben bis zur Novelle des Telekommunikationsgesetzes (TKG) am 1. Dezember 2021 lediglich drei Optionen übrig:
- Verlängerung (§ 92, Abs. 2, 4 und 5)
- Versteigerung (§ 100, Abs. 5)
- Ausschreibung (§ 100, Abs. 6)
Somit sind nun Versteigerung und ein Ausschreibungsverfahren gleichgestellt, die Bundesnetzagentur muss nicht mehr zwingend eine Frequenzauktion durchführen. Unberücksichtigt blieben nach einer Marktanhörung die Kombination von Versteigerung und Ausschreibung sowie ein Betreibermodell, bei dem die freiwerdenden Frequenzen bei 800 MHz komplett an einen Betreiber oder ein Konsortium gegangen wären, mit der Auflage, Wettbewerbern per Roaming zu beteiligen.
Auktion vs. Ausschreibung
Die Versteigerung ist ein einfaches Verfahren – hier entscheidet schlicht das höchste Gebot. Alternativ sind auch negative Versteigerungen denkbar, bei denen die Frequenz mit erheblichen, subventionsgestützten Auflagen verbunden ist und derjenige gewinnt, der am wenigsten Fördergelder beantragt.
Das Ausschreibungsverfahren ist ein wenig komplexer. Hier geht es darum, den ambitioniertesten Ausbauplan vorzulegen, um den Zuschlag zu bekommen. Hier könnten unter Umständen unterschiedliche, schwer nach objektiven Kriterien zu vergleichende Angebote eingehen. Das Verfahren wird deshalb auch spöttisch als „Beauty Contest“ bezeichnet.
Auch die Politik mischt bereits bei der Diskussion um das beste Verfahren mit. So hat sich Finanzminister Lindner für eine Auktion ausgesprochen – allerdings die Option für eine Negativauktion offen gehalten. Der bayerische Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger dagegen sieht im Ausschreibungsverfahren die bessere Alternative um die Infrastruktur in Deutschland entscheidend voranzubringen. Die Netzbetreiber seien allerdings zu verpflichten, im Gegenzug zu den Funkfrequenzen die Netze verbindlich und umfassend auszubauen. Zudem müssten auch die bereits erteilten Auflagen scharf kontrolliert werden, forderte Aiwanger anlässlich der BNetzA-Beiratssitzung.
Alternativen erst spät verfügbar
Nach der Neuvergabe im 800-MHz-Spektrum zum 1.1.2026 laufen im Low-Band erst Ende 2033 wieder Lizenzen aus, sowohl im 700- wie im 900-MHz-Band. Doch nochmals acht Jahre kann 1&1 nicht auf geeignete Frequenzen warten. Das würde die Entwicklung des vierten Mobilfunknetzes massiv hemmen. Einen möglichen Ausweg gibt es allerdings: Das Spektrum zwischen 470 und 694 MHz wird bereits drei Jahre früher neu vergeben. Hier funkt zum einen das digitale terrestrische Fernsehen (DVB-T2), zum anderen Bühnen- und Theatertechnik, wie kabellose Mikrophone.
Der amtierende Chef der Regulierungsbehörde bringt daher eine Verlängerung der 800-MHz-Lizenzen um fünf Jahre ins Spiel und stellt damit in Aussicht, dass die Mobilfunkanbieter zum 1.1.2031 auf das Spektrum unterhalb von 700 MHz Zugriff bekommen. Doch sicher ist dies noch nicht. Um einen Ausweg aus dem Dilemma zu finden, hat die BNetzA ein Konsultationsverfahren gestartet. Zusammen mit der Vorstellung einiger Orientierungspunkte wurde eine Bedarfsabfrage zu allen drei kurzfristig verfügbaren Frequenzbereichen initiiert. Bis zum 21. März 2022 haben die Betroffenen nun Zeit, Stellung zu nehmen und ihren Bedarf anzumelden. Allzulange Zeit haben Regulierungsbehörde und Politik nicht, sich auf ein neues Verfahren zu einigen: Planmäßig sollen 2023 die Frequenzen neu vergeben werden, spätestens 2024 brauchen die Unternehmen Klarheit, um die Nutzung ab Anfang 2026 vorbereiten zu können.
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