Im Herbst 2020 konnte der schwedische 5G-Pionier Ericsson die Angebotslücke auf Routerseite mit der Übernahme von Cradlepoint schließen. Wir sprachen mit Jan Willeke, Area Director Central Europe bei Cradlepoint, über die aktuelle Unternehmensstrategie, welche Anwendungen im Fokus des Marktes stehen und besonders gefragte Technologien.
Herr Willeke, Sie sind jetzt knapp zweieinhalb Jahre beim Router-Hersteller Cradlepoint…
Also, wenn ich gefragt werde, was Cradlepoint macht, dann lautet meine Antwort „Cloud-gemanagte 4G- und 5G-Konnektivität“. Denn neben den Routern in allen Leistungsklassen ist die NetCloud-Plattform ein wesentliches Element unseres Angebots. Sie ermöglicht es, die Hardware über den gesamten Lifecycle zu managen. Übrigens können Sie sogar noch unseren ersten Router damit bedienen. Der ist von 2006 – während NetCloud gerade zehnjähriges Jubiläum gefeiert hat.
Ok, das Netzwerk-Management ist ja gerade im Umfeld von 5G-Campusnetzen von hoher Bedeutung…
… und das spiegelt sich in unserer Plattform wider. Wir unterstützen die Antennen-Ausrichtung mit der Funktion „Celltower“. Die Anwendung ist mandantenfähig, und wir bieten SD-WAN-Funktionalität „von beiden Seiten“, sprich: Sie können sowohl Frontend wie auch Backend konfigurieren und echtes Channel-Bonding betreiben, um nur einige Funktionen zu nennen. Mit der Exchange-Erweiterung kann mittels NetCloud jetzt auch das Network-Slicing im 5G-Campusnetz gemanagt werden. Und mit Herstellern wie Extrem Networks und Juniper pflegen wir Partnerschaften, die eine direkte Integration in deren Plattformen über APIs ermöglichen.
Cradlepoint ist ja eine Ericsson-Tochter, bei Unternehmen präsentieren sich gemeinsam in Hannover (Halle 14, Stand H38). Decken Sie damit beide Seiten des Netzwerks ab: Die Mutter ist fürs Senden verantwortlich, Ihr Unternehmen für den Empfang?
Auf technischer Seite kann man das so sehen: Ericsson stellt das Carrier Core Network, übernimmt SIM- und User-Management und zeichnet verantwortlich für das Radio Access Network (RAN) bis hin zur Antenne. Unsere Produkte decken die gesamte Strecke zwischen Antennen und dem Edge Device ab. Es gibt jedoch auch eine Aufgabenteilung jenseits der Technik, und zwar in Hinblick auf die Vertriebskanäle. Während Ericsson traditionell vorwiegend Carrier bediente, war Cradlepoint früh auf den Channel ausgerichtet, bediente Distributoren, Integratoren und Endkunden.
Hat sich daran durch den Zusammenschluss etwas geändert?
Zunächst hat sich der Markt geändert: Neben Carriern bauen auch System-Integratoren und große Unternehmen heute eigene Netze auf. Dieser Enterprise-Markt wird nun auch über Cradlepoint adressiert. Wir haben schließlich Erfahrung mit allen nötigen Services, um Partner- und Endkundenbedürfnisse zu erfüllen. Darüber hinaus passen wir unsere Lizenzmodelle an, setzen Renewal-Programme auf und schaffen die personellen Ressourcen zur Betreuung dieses Kundensegments.
Welche Märkte adressiert Cradlepoint ansonsten?
Das würde ich eher an den Anwendungen festmachen, die sich auf drei Felder verteilen. Zum einen IoT & Industrie 4.0, wo beispielsweise unsere Router als Konzentratoren für die Sensorik genutzt werden. Dann Mobility, wir machen viele Projekte mit den verschiedenen Blaulicht-Diensten, die vom analogen BOS-Funk zu einer Konnektivität über öffentliche Mobilfunknetze wechseln. Und nicht zuletzt das Branch-Business, also die Ausstattung von Niederlassungen, insbesondere im Retailbereich. Einer unserer Kunden ist beispielsweise die globale Schmuckwaren-Kette Pandora, die kleine Shops mit einem Router ausstatten, über den beispielsweise Telefon, Kasse und Kreditkartenleser angebunden werden. Hier trägt die Funknetz-Infrastruktur zur Flexibilität bei der Ladengestaltung bei, die ohne Neuverkabelung jederzeit geändert werden kann.
Gibt es Themen, die derzeit von besonderem Interesse für den 5G-Markt sind?
Darauf gibt es zwei Antworten. Zunächst sehen wir, dass alle Akteure auf der Suche sind nach lohnenden Use Cases, also wie man auf Seiten der Integratoren mit 5G Geld verdienen, auf Seiten der Anwender Kosten einsparen kann. Dabei zeigt sich, dass die hohe Bandbreite von 5G in der Regel nicht entscheidend ist, weil diese nur in den seltensten Fällen benötigt wird. Interessanter sind Eigenschaften wie geringe Latenz, beispielsweise für Echtzeit-Anwendungen aus den Bereichen AR/VR oder Drohnensteuerung, Network-Slicing oder dass eine hohe Zahl von Clients eingebunden werden kann.
Und an zweiter Stelle..?
… registrieren wir ein erfreuliches Interesse an der Docker-Fähigkeit unserer Router. Sie erspart den Kunden den Einbau einer zusätzlichen Steuerung oder eines Industrie-PC. Stattdessen können Applikationen direkt auf dem Router ausgeführt werden. Anwendungen sehen wir sowohl im IoT-Bereich als auch bei Mobility. In einem ÖPNV-Projekt haben wir beispielsweise damit nicht nur die bislang getrennten Systeme für Kasse, Infosystem, Notknopf etc. konsolidieren können. Sondern wir konnten das Fahrgastzählsystem, das per Kameras die Ein- und Ausstiege registriert, so erweitern, dass die Fahrtgastzahlen direkt mit den GPS-Informationen verknüpft ans Backend gesendet werden. In Großbritannien arbeiten wir mit dem Sensor-Hersteller Mitie zusammen, der unsere Geräte in Smart-Building-Lösungen verbaut. Da dienen die Router zum einen als Konzentrator für die Sensorik. Zum anderen läuft darauf mittels Docker-Containern eine Datenanalyse, die eine intelligente Steuerung vor Ort ermöglicht.
In Bezug auf Router hören wir bei FUENF-G.de vor allem die Frage nach der Verfügbarkeit. Und dann natürlich, wann die Umstellung auf Release 16 erfolgt. Wie sieht es da bei Cradlepoint aus?
Bei der Verfügbarkeit stehen wir sehr gut da. Wir können alle Anfragen bedienen, sofern sie nicht außergewöhnliche Dimensionen annehmen. Dadurch haben wir schon einige Projekte gewonnen, weil Kunden nicht bis zu einem Jahr warten wollen. Die Umstellung auf 5G R16 können wir sehr schnell vollziehen. Wir arbeiten bei den Modem-Chips eng mit Sierra Wireless zusammen, das heißt, wir können uns schon auf die neue Generation vorbereiten, bevor die finale Fassung auf den Markt kommt. Das hat schon bei der Umstellung auf 5G SA (Standalone) sehr gut geklappt. Daneben stehen wir im ständigen Austausch mit den Entwicklern bei unserer Konzernmutter Ericsson, um die Interoperabilität neuer Geräteversionen mit der RAN-Technik zu optimieren.
Vielen Dank für das Gespräch!
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