Es gibt Streit bei den großen Netzanbietern. Auf der einen Seite erfüllt eine Vodafone-Tochter nicht die vereinbarten Ausbauziele für das 5G-Netz von 1&1. Auf der anderen Seite will der mächtige Konzern dem kleineren Rivalen genau mit dieser Tatsache den Zugang zu weiteren Frequenzen erschweren. Nun soll das Bundeskartellamt überprüfen, ob hier eine gezielte Strategie den Wettbewerb verzerrt.

Der Kommunikationsanbieter 1&1 hatte 2019 für einen Paukenschlag gesorgt und hatte sich als vierter Mobilfunkanbieter positioniert. Neben Internetzugängen vermarktete das Unternehmen aus Montabaur bislang zwar auch Mobilfunkverträge, die allerdings nur als Reseller der Netze von Deutscher Telekom, Vodafone und Telefónica/O2.

Als erfolgreicher Bieter der letzten Frequenzauktion, bei der es hauptsächlich um zusätzliche Bandbreiten zur Einführung von 5G ging, hat sich 1&1 verpflichtet, in festgelegten Etappen ein eigenes Funknetz aufzubauen. Das erste Ausbauziel lautete, 1.000 Antennenstandorte bis Ende 2022 in Betrieb zu nehmen. Bis Ende 2025 muss das Netz von 1&1 dann soweit ausgebaut sein, dass mindestens 25 Prozent der Bevölkerung zu Hause Empfang im 3,6-GHz-Band hat.

Erste Warnungen noch zurückhaltend

Im September des vergangenen Jahres hatte 1&1 bekanntgegeben, dass das verpflichtende Ausbauziel nicht bis Jahresende erreicht werden könne, sondern nur mit einem halben Jahr Verzögerung. Und dies trotz intensiver Bemühungen, den weiteren Ausbau durch flankierende Maßnahmen zu beschleunigen. Insgesamt drei Partner seien an dem Ausbau beteiligt, von denen zwei vertragsgemäß geliefert hätten, der dritte jedoch „überraschenderweise“ seinen Verpflichtungen nicht termintreu nachkomme. Namen nannte der Mobilfunkkonzern zu dieser Zeit noch nicht.

Wenige Wochen später sprachen die Verantwortlichen in Montabaur Klartext und legte offen, mit wem man beim Netzaufbau zusammenarbeitet. Dies sind ATC (American Tower), GfTD und zudem Vantage Towers, deren größter Eigentümer der 1&1-Wettbewerber Vodafone ist. Zugleich ist Vantage Towers auch der Partner mit dem „mit weitem Abstand“ größten Auftragsvolumen. Wie das Unternehmen bestätigte, sollten bis Ende 2025 mindestens 3.800 Antennenstandorte für 1&1 erstellt werden, wobei der Vertrag eine Option zur Ausweitung auf 5.000 Standorte enthält. Daran wolle man festhalten

Ausbau-Situation eskaliert

Vor kurzem gab 1&1 bekannt, dass in einem gemeinsamen Meeting mit Vantage Towers und Vodafone auch der Ende 2022 aktualisierte Rollout-Plan zurückgezogen wurde. Die für das erste Halbjahr 2023 würden erneut deutlich verfehlt. 1&1 beschuldigt Vodafone in seiner Mitteilung, auf Vantage Towers Einfluss genommen zu haben, um die Ausbau-Aktivitäten zugunsten von Vodafone zu bevorzugen – auf Kosten von 1&1.

Diese Verzögerungen haben Konsequenzen, die 1&1 in immer größere Schwierigkeiten bringen. Das beginnt bei der Auswahl der Antennenstandorte, wo Plätze für die 1&1-Technik nun von Vodafone-Installationen blockiert sind und teils erst neue Masten erstellt werden müssen, was erfahrungsgemäß sehr zeitaufwändig ist. Zum anderen werde nun der Start des 1&1-Netzes im Herbst 2023 gefährdet, da die dafür notwendigen technischen Zertifizierungsprozesse zum Teil erst durchgeführt werden können, wenn eine Mindestanzahl von Antennenstandorten in Betrieb ist. Mit dem Netzstart sollte dann auch die Umstellung der 1&1-Kunden beginnen, die bisher auf andere Netze geschaltet sind. Sie würden in den Bereichen, in denen 1&1 noch keine Abdeckung bietet, per Roaming aufs Telefónica/O2-Netz geleitet.

1&1-CEO Ralph Dommermuth hat die Zukunft des Konzern mit dem Erfolg als Netzbetreiber verknüpft. Bild: United Internet

1&1-CEO Ralph Dommermuth hat die Zukunft des Konzern mit dem Erfolg als Netzbetreiber verknüpft. Bild: United Internet

Besonders in Rage gebracht haben dürfte 1&1-Manager aber der Versuch von Vodafone, den neuen Wettbewerber bei der kommenden Lizenzvergabe auszubooten. Dann geht es um Frequenzen von unter 1 GHz, die aufgrund der günstigen physikalischen Ausbreitungseigenschaften unerlässlich sind für den Netzaufbau außerhalb von Ballungsräumen. Hier steht eine Neuvergabe ab 2026 an, allerdings sind die Blöcke so klein, dass eine sinnvolle Aufteilung auf vier Netzbetreiber nicht möglich erscheint. Die Bundesnetzagentur ist mit Deutscher Telekom, Vodafone, Telefónica/O2 und 1&1 in Gesprächen, um Alternativen zu einem erneuten teuren Wettbieten auszuloten. In diesem Rahmen kam von Vodafone wohl der Vorschlag, dass der Netzneuling angesichts des schleppenden Netz-Ausbaus nicht berücksichtigt werden sollte. Dem schloss sich die Deutsche Telekom an.

1&1 revanchierte sich mit öffentlichen Vorwürfen, dass Vodafone den Ausbau des vierten 5G-Netzes bewusst behindere, was der Düsseldorfer Mobilfunkkonzern umgehend zurückwies. Zusätzlich hat das Team um 1&1-Gründer Ralph Dommermuth beim Bundeskartellamt förmliche Beschwerde gegen Vodafone eingelegt, um die erhobenen Vorwürfe überprüfen zu lassen.

Vermeidungsstrategie?

Von Branchenexperten wird darauf hingewiesen, dass die Beschwerde von 1&1 nicht nur darauf abzielen könnte, Druck auf Vantage Towers aufzubauen, den Ausbau der 1&1-Antennenstandorte noch zu beschleunigten. Sondern dass es auch darum gehen könnte, ein drohendes Bußgeld der Bundesnetzagentur (BNetzA) wegen der verfehlten Ausbauziele abzuwenden, indem man bereits im Vorfeld einen Schuldigen außerhalb der 1&1-Unternehmensgruppe präsentiert.

Von der Seite droht aber auch anderes Ungemach: Die BNetzA hat vergangenen Oktober einen Termin für das Ende der bisherigen Doppelrolle von 1&1 verkündet. Demnach muss der Mobilfunkkonzern den Vertrieb von Mobilfunkverträgen für fremde Netze zum Ende des Jahres 2023 einstellen. Bestehende Mobilfunkverträge müssen bis Ende 2025 auf das eigene Netz umgestellt oder gekündigt werden. Insofern steht 1&1 unter erheblichem Druck, sein Netz ans Laufen zu bringen.