In der Industrie sind private 5G Netzwerke auf dem Vormarsch. Der Grund: Sie ermöglichen Unternehmen die Digitalisierung und Optimierung industrieller Prozesse, führen zu Effizienzsteigerungen und spielen ambitionierten Nachhaltigkeitszielen in die Karten. Vor kurzem haben der Stahl- und Bergbaukonzern ArcelorMittal France, Orange Business und Ericsson den Start des operativen Betriebs des 5G Steel Standalone-Netzwerkes in Dünkirchen verkündet. Dabei handelt es sich um das größte 4G/5G-Netzwerk im industriellen Umfeld.
Abdeckung komplexer Industriestandorte
Private 5G Netzwerke sind schnell und robust und zeichnen sich durch hohe Bandbreiten und reduzierte Latenzzeiten im Millisekundenbereich aus. Durch die Robustheit können sehr große und komplexe Industriestandorte abgedeckt werden – im Fall von ArcelorMittal in Dünkirchen handelt es sich um eine Fläche von mehr als 40 Quadratkilometern mit Freigelände und hohen Metallkonstruktionen sowie Produktionshallen in Stahlbauweise. Die zuverlässige 5G-Reichweite und durchgängige Abdeckung ermöglicht den Mitarbeitenden mehr eine durchgängige Vernetzung in den Produktionsstätten und somit mehr Bewegungsfreiheit.
Erleichtertes Stahl-Recycling
ArcelorMittal nutzt die hohen Datendurchsatzraten, um den Prozess des Stahlrecyclings zu optimieren. Trifft der Stahl zum Recycling am Standort ein, wird dieser gewogen und gescannt, um seine Dichte und Zusammensetzung zu bestimmen und auf Verunreinigungen oder Farbreste zu überprüfen. Die mit der Qualitätskontrolle beauftragten Mitarbeiter vor Ort übermitteln diese Daten automatisch über 5G Steel an das Produktionssystem. Die Verantwortlichen können durch eine Analyse aus der Ferne entscheiden, ob das Metall für das Recycling geeignet ist. Den Kran- und Staplerführern stehen damit umgehend die nötigen Informationen zu den anstehenden Maßnahmen zur Verfügung.
Auch die Art und Weise der Kommunikation innerhalb der Arbeitsvorgänge und -prozesse verändert sich durch 5G Steel: Im Warmbandwalzwerk beispielsweise können Datenerfassung, -eingabe und -austausch mit Hilfe von Tablets schneller und intuitiver erfolgen und beispielsweise Inspektionen bei Wartungsarbeiten, Sicherheitsaudits, Lockout/Tagout-Verfahren erleichtern und beschleunigen.
Auch für die Manager erleichtert sich die Arbeit: Anstatt Hunderte Meter auf der Baustelle zurücklegen zu müssen, arbeiten sie mit Tablets und einer Verbindung vor Ort, um mit den Arbeitern in der Produktionsanlage zu kommunizieren.
Mehr Effizienz reduziert den CO2-Fußabdruck
Durch 5G und die Nutzung von Echtzeitdaten können die Gesamtperformance eines Unternehmens verbessert und die Ressourcen effizienter eingesetzt werden. Dies führt auch zu einem geringeren Energieverbrauch. Dies ist vor dem Hintergrund der wachsenden Anforderungen an Klimaschutz und Nachhaltigkeit ein wichtiger Pluspunkt. Somit wird 5G in Zukunft maßgeblich zur Umsetzung bzw. Erreichung der ESG-Ziele von Unternehmen beitragen.
Mehr Arbeitssicherheit durch autonome Fahrzeuge
Aufgrund der geringen Latenzzeit des 5G-Netzes gehört autonomes Fahren zu den bekanntesten Anwendungsszenarien des Mobilfunkstandards. In großen Stahlproduktionsanlagen wie bei ArcelorMittal ist es oft der Fall, dass Stahl werksintern auf Zügen über viele Kilometer von einem Produktionsschritt zum nächsten transportiert werden muss. Sensoren, die an der Vorder- und Rückseite eines Zuges angebracht sind, liefern Informationen in Echtzeit zu Ereignissen und Vorgängen im Gleisbereich und helfen den Zugführern, angemessene Entscheidungen zu treffen.
In engen Industrieanlagen wiederum, fehlt oft der Platz zum Wenden des Zugs. Die Lokomotive ist im hinteren Bereich des Zuges angesiedelt und schiebt die Güterwägen vorwärts. Da der Fahrer nicht erkennen kann, was vor dem ersten Wagen passiert, musste bisher immer eine zweite Person vor dem Zug mitgehen und mit einer Art Walkie-Talkie mit dem Lokführer kommunizieren. Die Sensoren mit Edge-Computing-Funktionen liefern auch hier Informationen in Echtzeit an den Zugführer. Auch wenn die Züge noch nicht vollständig autonom sind, sind sie Beispiele für eine erhebliche Verbesserung von Sicherheit und Prozesseffizienz.
Infobox: 5G Steel in Zahlen
9 Funkstandorte mit 4×4 MIMO-Antennen zur Abdeckung der Standorte Dunkerque und Mardyck
1 Kern mit dynamischer geografischer Redundanz zur Verwaltung von bis zu 50.000 Nutzern
Überwachungstool für die Verwaltung und den Betrieb des 5G-Steel-Netzes
19 Router von Cradlepoint, einer Tochtergesellschaft von Ericsson
80 % des Gebiets liegen über den Geschwindigkeitszielen
Ausblick
Die 5G Steel-Initiative wird von der französischen Regierung im Rahmen des Plans zur Wirtschaftsförderung in Frankreich (France Relance) unterstützt. Sie ermöglicht es, die ersten industriellen Anwendungen am ArcelorMittal-Standort in Dünkirchen umzusetzen.
Neben Dünkirchen kommt 5G Steel derzeit auch am ArcelorMittal-Standort im nordfranzösischen Mardyck zum Einsatz. Im Laufe des Jahres 2023 sollen noch weitere Standorte folgen, insbesondere im ostfranzösischen Florange. Zu den künftigen industriellen Einsatzmöglichkeiten, die an den Standorten von ArcelorMittal entwickelt werden sollen, gehören weitere Initiativen in Bezug auf die Mobilität von Menschen in Arbeitssituationen, autonome Schienenfahrzeuge in Dünkirchen und Florange, autonome Straßenfahrzeuge, die Ausweitung der mobilen Wartung mit Rückmeldung von Felddaten, virtual oder Augmented Reality sowie weitere Sicherheitsvorrichtungen.
Gastautor:
Emmanuel Routier,
Vice President Smart Industries, Orange Business
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