Damals ein Knaller, heute verpönt: Der Start einer engen Freundschaft zwischen Huawei und Deutscher Telekom auf der CeBIT 2016  (Bild: Deutsche Telekom)

Dem Handelsblatt sind interne Unterlagen der Deutschen Telekom zugespielt worden. Demnach seien die Beziehungen zu Huawei von hoher strategischer Bedeutung, auch wenn sie nach außen heruntergespielt werden. Der deutsche Netzbetreiber sei zunehmend von den Chinesen abhängig, so das Fazit des Beitrags.

Der Vorwurf wiegt schwer: Die Deutsche Telekom habe sich trotz der drohenden Sanktionen gegen Huawei in eine enge Abhängigkeit begeben. Zudem sei in der Öffentlichkeit die Bedeutung der Zusammenarbeit zuletzt heruntergespielt worden. Dem Handelsblatt liegen vertrauliche interne Dokumente des Telekom-Riesen vor, die Briefings, Protokolle und Präsentationen aus den vergangenen vier Jahren umfassen. Diese belegten, dass sich der Bonner Konzern viel enger mit Huawei verbunden hat, als den deutschen Sicherheitsbehörden lieb sein konnte, so die Einschätzung der Autoren.

Festhalten an Partnerschaft

Schon bei der Open Telekom Cloud (OTC) gab es eine enge Kooperation zwischen Deutscher Telekom und Huawei. Auf der CeBIT 2016 verkündeten die Manager der beiden Konzerne ihre Zusammenarbeit auf offener Bühne. In den Folgejahren sei die Kooperation beim OTC-Projekt, das mit der Sicherheit des deutschen Datenschutzes um Kunden bei kleinen und mittleren Unternehmenskunden wirbt, weiter vertieft worden.

Trotz der auch in Deutschland laufenden politischen Debatte, ob der chinesische Lieferant von kritischen Infrastrukturen ausgeschlossen werden sollte, hatte Telekom-Chef Höttges im August 2019 bei einem persönlichen Treffen mit Huawei-Chairman Eric Xu die Zusammenarbeit weiter vertieft. Diesmal ging es insbesondere um 5G.

Was dabei besprochen wurde, ist gleich aus doppelter Sicht brisant. Zum einen versprach Höttges den Chinesen, diese würden eine Schlüsselrolle beim Ausbau des 5G-Netzes der Deutschen Telekom spielen. Zum anderen verlangte er von Huawei dafür zu sorgen, dass der eigene Konzern gegenüber dem direkten Wettbewerber Vodafone einen spürbaren technischen Vorsprung erhalten sollte. Und das, obwohl auch Vodafone in Deutschland bei Huawei 5G-Komponenten kauft, ebenso wie Telefónica. Darüber hinaus sicherte sich Höttges angesichts der sich bereits abzeichnenden Schwierigkeiten durch den US-Boykott eine bevorzugte Belieferung zu.

Folgen schwer abschätzbar

Schon bei diesem Treffen konstatierten die Partner erhebliche Probleme bei Komponenten für Small Cells, also kleineren Basisstationen, aber auch in anderen Bereichen. Ausgelöst wurden diese von den Sanktionsmaßnahmen der USA, die seitdem weiter sukzessive verschärft wurden und inzwischen die beispielsweise auch die Chip-Hersteller treffen. Weil deren Maschinen auf US-Technologie beruhen, dürfen sie ihre Produkte nicht mehr an Huawei liefern, wollen sie sich nicht selbst der Gefahr von Sanktionen aussetzen. So müssen die Chinesen nun Ersatz für CPUs und Kommunikations-Chips von Intel, Qualcomm und anderen Lieferanten suchen.

Letztlich dürfte es darauf hinauslaufen, entsprechende Technologie im Land selbst zu entwickeln, ebenso die Technologie, um entsprechende Halbleiter zu produzieren. Die Frage bleibt, wie Huawei die Übergangszeit überbrücken kann. Im Vorfeld der Sanktionen hatten die Chinesen versucht, größere Stückzahlen an kritischen Bauteilen zu horten. Doch zum einen sind diese Vorräte begrenzt. Zum anderen bedeutet dies einen „Technology Freeze“: Zu den Nachfolgegenerationen, die schneller sind, weniger Energie verbrauchen und zusätzliche Funktionen bieten, hat Huawei keinen Zugang mehr – im Gegensatz zu seinen Wettbewerbern Nokia und Ericsson.

Gegenargumente nehmen zu

Noch ist die Frage, ob ein chinesischer Hersteller – neben Huawei betrifft dies auch ZTE – als Zulieferer für zentrale Infrastrukturen geeignet ist, in vielen Industrienationen nicht abschließend entschieden. Der Vorwurf, der insbesondere von der US-Regierung vorgetragen wird, lautet: Die chinesischen Unternehmen seien ihrer Regierung vollkommen verpflichtet, daher bestehe eine reelle Gefahr, dass Huawei & Co. in deren Auftrag Spionage oder Sabotage betreiben könnten.

Daneben treten zunehmend auch strategische und industriepolitische Argumente. So werden Bundeskanzlerin Angela Merkel und Wirtschaftsminister Peter Altmaier, beide CDU, nicht nur von der Opposition und vom Koalitionspartner SPD, sondern auch von Teilen der eigenen Partei dafür gerügt, die Chinesen lediglich als Wirtschaftspartner zu sehen, nicht aber als Systemkonkurrenten. Vor allem nach der Verabschiedung des sogenannten „Sicherheitsgesetzes“ in Hongkong, das auf Druck der chinesischen Zentralregierung die Freiheitsrechte in der kapitalistischen Enklave einschränkt, rückt dieses Argument stärker in den Blick.

China setze auf staatliche Kontrolle durch Zensur und intensive Datensammlung sowie eine staatlich gelenkte Wirtschaft. Auch bei engen Wirtschaftspartnern würde immer wieder darauf gedrängt, den freien Markt, persönliche Freiheit, Meinungsvielfalt und Datenschutz zu beschneiden, um lukrative Handelsabkommen, wichtige Investitionen in Infrastrukturprojekte und großzügige Kredite zu erhalten. Um die Ziele des Entwicklungsplans „Made in China 2025“ zu erreichen, erhielten chinesische Unternehmen darüber hinaus unfaire Vorteile, die den Wettbewerb in zukunftsträchtigen Industriebranchen verzerren.

Riskanter Poker zwischen Bonn und Berlin

Doch Bundeskanzleramt und Bundeswirtschaftsministerium wischten diese Bedenken bislang beiseite und sind offensichtlich in erster Linie darum bemüht, einen der wichtigsten Handelspartner Deutschlands nicht zu brüskieren. Die Folge ist eine Blockade der deutschen und der europäischen Politik. Nicht nur Corona, auch der bislang ungelöste Zwist innerhalb der Unionsparteien hat bislang verhindert, dass das lange erwartete IT-Sicherheitsgesetz 2.0 beschlossen wird, das letztlich eine Entscheidung pro oder contra Huawei bringen würde. Merkel hatte versucht, die Verabschiedung von einer europäischen Einigung abhängig zu machen. Doch auch dort weht ihr der Wind ins Gesicht – auf dieser Ebene könnte sie höchstens eine weitere Verzögerung erreichen.

Diese würde aber bedeuten, dass die Deutsche Telekom weiterhin massiv in Huawei-Technik investiert – und ein möglicher Bann einen umso teureren Rückbau nach sich zieht. Darüber hinaus wäre der weitere Ausbau des deutschen 5G-Netzes dadurch wohl massiv gefährdet. Denn laut Handelsblatt kommen im Bereich Funknetz (RAN) in diesem Jahr 65 Prozent aller von der Telekom in Deutschland verbauten Komponenten von Huawei. Bei einem solchen Volumen könnten Nokia und Ericsson wohl kaum kurzfristig als Ersatzlieferanten einspringen.

Keine Ende des Streits in Sicht

Nach der Veröffentlichung des Handelsblattes kochte der Streit weiter hoch. Während Altmaier keine Beweise sieht, die einen Bann gegen Huawei rechtfertigen würden, steht für große Teile von CDU, CSU und SPD längst fest, dass der chinesische Anbieter nicht vertrauenswürdig ist. Das Handelsblatt zitiert den SPD-Politiker Bernd Westphal mit den Worten: „Es ist schon merkwürdig, dass das Kanzleramt und das Wirtschaftsministerium einem chinesischen Unternehmen mehr Vertrauen schenken als den eigenen Sicherheitsbehörden“. Er bezieht sich neben früheren Aussagen des BND unter anderem auf den aktuellen Verfassungsschutzbericht. Laut diesem sei etwa die Frage der Beteiligung chinesischer Unternehmen am Aufbau von 5G-Netzen für das Land von größtem Interesse und für strategische Entscheidungen unentbehrlich, und daher das Ziel staatlicher Spionage.

Andere kritisieren die Strategie von Telekom-Chef Höttges und wollen ihn zur Rede stellen – schließlich ist der Bund mit rund 32 Prozent Aktienanteil immer noch der größte Aktionär des Unternehmens. Ob die lange aufgeschobene politische Entscheidung nun nach der parlamentarischen Sommerpause getroffen wird, ist noch völlig offen.

Somit entwickelt sich die Diskussion um Huawei und Co. zu einer „never-ending-story“ – aus industrieller Sicht der schlechtesten aller Alternativen. Davor warnten Experten auf FUENF-G bereits im Herbst vergangenen Jahres und forderten wie Dirk Kretzschmar, Geschäftsführer der TÜV Informationstechnik GmbH, im Interview „Kriminelle Energie entscheidet 5G-Sicherheit“ alle Hersteller bei Verdacht auf vorsätzliche Spionagefunktionen gleichermaßen zu überprüfen. Für die Deutsche Telekom könnten sich die neuen Erkenntnisse hingegen zu einem transatlantischen Sturm aufschaukeln.