Der Kampf von Telefónica und 1&1 um die technischen Bedingungen des Netzzugangs und eine angemessene Vergütung wird mit harten Bandagen geführt (Bild: kalhh, stux (Pixabay) / Komposition: H. Jacob)
1&1 Drillisch liegt mit Telefónica/O2 beim Thema Netzentgelte im Clinch. Sowohl in diesem Fall als auch in der Frage des National Roamings hat der künftige Mobilfunkprovider die Bundesnetzagentur als Schlichter angerufen. Nur vordergründig dreht sich der Streit um Preisverhandlungen, tatsächlich geht es um die Startbedingungen des vierten deutschen Mobilfunknetzes – und die hängen auch an der Deutschen Telekom und Vodafone.
Wann startet das vierte deutsche Mobilfunknetz? Baubeginn ist zumindest nicht vor 2021, das hat Ralph Dommermuth, in Personalunion Vorstandsvorsitzender des virtuellen Netzbetreibers 1&1 Drillisch und dessen Mutter United Internet, bereits im März dieses Jahres klargestellt. Konkrete Planungen seien erst möglich, wenn die Frage des National Roamings geklärt sei. Die ausgehandelten Bedingungen – sprich: welches Netz 1&1 nutzen kann – würden darüber entscheiden, wie das Netz geplant und gebaut wird.
Ein halbes Jahr später hat Dommermuth nun die Bundesnetzagentur zu Hilfe gerufen. Er fordert das Verhandlungsgebot ein, das im Rahmen der 5G-Auktion festgelegt worden war. Der Vorwurf an Deutsche Telekom und Vodafone: Sie würden die Verhandlungen verschleppen. Die BNetzA solle deshalb als Schlichter tätig werden.
Hintergrund: Partner und Wettbewerber
Doch auch mit Telefónica streitet Dommermuth, wiederum unter Zuhilfenahme der BNetzA, um Zugang zu einem bestehenden Netz. Hier geht es vor allem um den Preis der Vorleistungen, die bereits gebucht sind, sowie um technische Fragen des Zugangs, die sich auf Verfügbarkeit und Bandbreite der 1&1-Kunden auswirken.
Wer den aktuellen Tarifstreit zwischen Telefónica und der United-Internet-Tochter 1&1 verstehen will, muss ein paar Jahre zurückblicken. 2014 übernahm Telefónica den Wettbewerber e-Plus, um ihn mit seiner Tochter O2 zu verschmelzen. Im Rahmen der Fusionskontrolle genehmigte die EU zwar dieses Vorhaben, jedoch nur unter Auflagen – die übrigens von der O2-Mutter selbst angeboten wurden. Dazu gehörte, dass Telefónica bis zu 30 Prozent des Netzes an einen oder mehrere (bis zu drei) Betreiber virtueller Mobilfunknetze (MVNO) verkauft. In der Folge erhielt 1&1 den Zuschlag.
Dies schuf die Voraussetzung für die Teilnahme an der 5G-Frequenzauktion im vergangenen Jahr, denn 1&1 baut darauf, über diesen Weg schnell und einfach ein National Roaming nutzen zu können, das den eigenen Kunden bundesweite Netzabdeckung sichert. Niemand würde zu einem Mobilfunkbetreiber wechseln, der zumindest in den ersten Jahren des Netzaufbaus nur in wenigen Städten präsent ist, aber außerhalb seiner Abdeckungsgebiete keine Verbindung herstellen kann.
Politisch gewollte Situation
Dass ein Mobilfunkvermarkter wie 1&1 Drillisch den Providern Paroli bietet und so eine starke Position erlangt, dass er vom virtuellen zum echten Netzbetreiber aufsteigt kann, war von der EU-Kommission ausdrücklich gewünscht. Um dieses Ziel zu sichern, mischte sie sich unter anderem in die Preisentwicklung ein: Bewusst machte sie zur Bedingung, dass der MVNO mehr Kapazität kaufen muss, als er für den bisherigen Kundenstamm benötigt. Dies sollte ihn dazu zwingen, mit aggressiven Preisen den Wettbewerb anzuheizen und seinen Marktanteil auszubauen.
Zugleich sicherten die Kartellwächter die technische Wettbewerbsfähigkeit ab: „Die MVNO(s) in Deutschland werden tatsächlich Zugang zu allen aktuellen und zukünftigen Technologien und Geschwindigkeitsklassen für die mobile Datenübertragung haben, die Telefónica derzeit und in Zukunft anbietet“ heißt es im Genehmigungsbeschluss der EU-Kommission.
Auf der anderen Seite muss sich 1&1 an den steigenden Netzkosten seines Vertragspartners beteiligen. Schließlich profitiert der MVNO auch vom Ausbau des LTE-Netzes in den vergangenen Jahren. Gegen eine Preiserhöhung vom September 2017 hatte 1&1 vergeblich geklagt. Die nächste Erhöhung, datiert auf Dezember 2018, habe der Schiedsgutachter allerdings abgelehnt: Die geltend gemachte Preiserhöhung im geprüften Zeitraum 2016 bis 2020 – Telefónica hatte eine Nachzahlung von 64 Millionen Euro verlangt – sei demnach in voller Höhe unberechtigt. Nun ist noch ein weiteres Verfahren offen. Solange das nicht abgeschlossen ist, wird die Roaming-Frage zwischen den beiden nicht gelöst werden können.
Klärung und Netzstart ungewiss
Nicht nur aus diesem Grund, sondern auch weil die Netze von Deutscher Telekom und Vodafone leistungsfähiger sind, strengte 1&1-Chef Dommermut parallel dazu Verhandlungen mit diesen über ein National Roaming an. Doch auch hier blieb der Erfolg bislang aus.
Das nun angestrebte Schlichtungsverfahren wird sicherlich noch eine Weile in Anspruch nehmen. Dementsprechend ist eine Prognose, wann der vierte Netzbetreiber den Bau beginnen und schließlich sein Netz in Betrieb nehmen kann, schlicht nicht möglich.
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