Nach den USA wird auch in Europa das Geschäft von Huawei zunehmend schwieriger. (Bild: geralt, QuinceCreative / Pixabay)

Während in den USA der chinesische Hersteller wohl endgültig aus dem Markt gedrängt wird, verkündet Huawei in Europa eine Umstrukturierung. Angeblich soll „die Schlagkraft verbessert“ werden. Der Aderlass bei PR-Managern und Lobbyisten spricht eine eindeutige Sprache: Im Konzern rechnet kaum noch jemand damit, dass sich die Geschäftsaussichten zukünftig fundamental aufhellen.

Seit rund fünf Jahren kämpfen die USA gegen den Einsatz von chinesischer Technik im Mobilfunk – sowohl auf dem eigenen Markt, als auch bei ihren Verbündeten im Kreise der Europäischen Union und der G7-Staaten. Der damalige US-Präsident Donald Trump hatte zunächst ZTE, dann auch Huawei mit strengen Sanktionen belegt. Sein Nachfolger Joe Biden setzte den Kurs fort und erließ Anfang des Jahres weitere Beschränkungen.

Die zuständige US-Telekommunikationsaufsicht FCC hat diese nun bestätigt. Kommunikationsgeräte und Netzwerktechnik von Huawei und ZTE stellten ein inakzeptables Risiko für die nationale Sicherheit dar. Sie dürfen daher nicht mehr in die USA importiert oder dort verkauft werden. Es bestehe sogar die Möglichkeit, bereits erteilte Genehmigungen zu widerrufen, bekräftigte FCC-Kommissar Brandon Carr.

Auch wenn die US-Regierung bislang keine konkreten Beweise für ein mögliches Fehlverhalten oder technische Risiken, wie beispielsweise Backdoors, vorlegen konnte, geht sie davon aus, dass im Fall eines politischen Konflikts die Technik der chinesischen Hersteller auf Befehl der Machthaber in Peking für Spionage- und Sabotagezwecke missbraucht werden könnte.

Umdenken in Deutschland

Die deutsche Politik war von Anfang an gespalten, während andere europäische Staaten sich der harten US-amerikanischen Linie anschlossen, teils auf massiven Druck des Weißen Hauses. Obwohl es im Bundestag erhebliche Stimmen zugunsten eines strikten Kurses gegen Huawei & Co. gab, setzte die Regierung Merkel auf wachsweiche Formulierungen, die erheblichen Interpretationsspielraum ließen und letztlichen den Einsatz von Huawei-Technik nicht verhinderten. Es wurden lediglich flankierende Maßnahmen getroffen, wie die Förderung von Open-RAN-Entwicklungen, die günstige Alternativen schaffen sollen.

Auch Deutsche Telekom und Vodafone hatten ihren Beitrag zur zurückhaltenden Positionierung der deutschen Politik geleistet. Sie verwiesen darauf, dass ein schneller 5G-Ausbau nur möglich ist, wenn die bestehende 4G-Technik von Huawei einfach ergänzt werden darf. Hätten sie dagegen die Komponenten des chinesischen Herstellers ersetzen müssen, hätte das nicht nur Milliardenkosten verursacht, sondern die Ausbauzeitpläne um Jahre zurückgeworfen.

Angesichts des Ukraine-Krieges hat die aktuelle Regierung jedoch die Abhängigkeiten von ausländischen Lieferanten neu bewertet. Bereits Ende Juli drohte das Bundesinnenministerium, die Zügel anzuziehen und den vier deutschen Netzbetreibern zu verbieten, „kritische Komponenten“ von chinesischen Herstellern einzusetzen (Fuenf-G.de berichtete). Im Oktober hatte die EU den Druck auf Regierungen in Deutschland, Spanien und anderorts erhöht und „unverzügliche Maßnahmen“ zur Sicherung der 5G-Netze angemahnt. Wo noch nicht geschehen sollten jetzt Beschränkungen für Hochrisikolieferanten erlassen werden, so die Forderung aus der EU-Kommission. Nun arbeiten gleich drei Ministerien daran, die Lage zu klären. So bereiten sowohl Außenministerin Annalena Baerbock als auch Wirtschaftsminister Robert Habeck eine China-Strategie vor, um sich aus bestehenden Abhängigkeiten zu lösen. Und Innenministerin Nancy Faeser kündigte ein neues Gesetz zum Schutz kritischer Infrastrukturen („KRITIS“) an, das ebenfalls Auswirkungen auf die Geschäfte chinesischer Technologie-Lieferanten haben dürfte.

Das dürfte auch den Mobilfunkbetreibern nicht schmecken. Vodafone und Telefónica haben zwar nach eigenen Angaben inzwischen Huawei aus den Kernnetzen weitgehend verbannt, sie sehen das verbleibende Restrisiko eines Eingriffs von außen deshalb als geringfügig an. Die Deutsche Telekom hat ihre Pläne zur Umstellung der Kernnetze dagegen noch nicht vollständig umgesetzt. Und bei allen dreien kommt nach wie vor Huawei-Technik in erheblichem Maße bei den Zugangsnetzen zum Einsatz.

Huawei strukturiert um

Parallel dazu verkündet Huawei, seine Aktivitäten in Europa neu zu strukturieren. Aus zwei getrennten Vertriebsorganisationen wird eine. Der Standort Düsseldorf bekommt dadurch mehr Verantwortung. Zugleich sollen einige Büros und Niederlassungen geschlossen werden; darunter auch der Standort Brüssel – die Lobby-Arbeit in den europäischen Gremien wird künftig ebenfalls von Deutschland aus betrieben.

Das US-Politmagazin Politico klassifiziert die Ankündigungen Huaweis dagegen als strategischen Rückzug aus Europa. Unterlegt wird das beispielsweise mit der Aussage eines anonymen hochrangigen Insiders, nach der es nicht mehr darum gehe, die Globalisierung voranzutreiben, sondern das Unternehmen lediglich bestrebt sei, „seinen Arsch zu retten“. Auch seien zahlreiche PR- und Lobby-Manager ausgeschieden, wofür Politico etliche Beispiele nennt. Das Fazit des Magazins: „Wenn es um das große europäische Spiel geht, hat Huawei verloren und alle seine politischen Spieler nach Hause geschickt.“

Kommentar: Nachgeben, aber nicht aufgeben

Wenn Huawei auf die Nachfragen von Journalisten entgegnet, die Mitarbeiterzahl in Europa bliebe stabil und die Abgänge im Bereich der Medien- und Lobbyarbeit bewegten sich im Rahmen der natürlichen Fluktuation eines großen Unternehmens, dann kann man das glauben – oder auch nicht, bis zum Beweis des Gegenteils. Bislang konnte sich Huawei noch in einigen europäischen Ländern gut behaupten. Große Märkte wie Deutschland, Spanien und Italien, daneben kleinere Länder wie die Schweiz oder Ungarn ließen den chinesischen Hersteller weitgehend gewähren. Nun wird die Luft überall dünner, und das gleich aus mehreren Gründen.

Der russische Überfall auf die Ukraine beschränkt sich nicht auf das Gebiet der beiden direkt involvierten Staaten. Das Erpressungspotenzial durch ausbleibende oder stark verteuerte Energielieferungen, physische und digitale Angriffe auf Energie-, Finanz- und Logistik-Unternehmen in Europa belegen die hybride Kriegsführung. Sie führen ebenso zu einer Neubewertung der Sicherheit von kritischen Infrastrukturen wie der immer unverhohlenere Machtanspruch der chinesischen Regierung.

Ein Unternehmen, dass sich dieser neuen Situation nicht anpassen würde, wäre dumm. Deshalb halte ich es für wahrscheinlich, dass die Strategie nun nicht mehr auf offensive PR-Arbeit ausgerichtet ist, die politische Konflikte eher anstacheln würde. Sondern zum einen bestehende Kundenbeziehungen pflegt, indem man weiterhin die nötigen Ressourcen bereitstellt und liefert, was noch erlaubt und gefordert ist. Ansonsten aber eher darauf abzielt, in der öffentlichen Wahrnehmung „unter dem Radar“ zu fliegen und – eventuell – in der Hoffnung auf ein günstigeres politisches Klima zu überwintern. Doch das dürfte, ähnlich wie im Fall der russischen Energie-Unternehmen, für viele Jahre ausgeschlossen sein.

Harry Jacob, Redakteur FUENF-G.de